Brief von Herrn Alberto Málaga an ehemalige Schüler des Abschlussjahrganges XV:
Ich wende mich hauptsächlich an die Schüler, die vor 25 Jahren an der Humboldtschule waren: ein kurzer Rückblick auf die “morgendlichen Ansprachen”, die ich täglich um 7.40 Uhr hielt; der Moment bei dem alle, Lehrer und Schüler, gemeinsam begrüßt wurden und Gedanken mit auf den Weg gegeben wurden, sei es über Disziplin, Pädagogik oder Religion.
Für mich waren diese täglichen Minuten in den 25 Jahren meines Aufenthaltes in der Schule sehr wichtig. Ich weiß, dass einige Lehrer und Schüler damit nicht einverstanden waren, aber ich vermisse sie und erinnere mich gern daran, nicht nur wegen der unmittelbaren Wirkung meiner Worte, sondern auch weil sie heute noch in guter Erinnerung vieler ehemaliger Schüler sind.
In Voltaires Worten: "mentid, lügt, es bleibt etwas hängen“, liegt eine paradoxe Wahrheit. Ich fühlte mich glücklich, wenn mir auch nur ein Kind oder Jugendlicher zuhörte und ich die hunderten von Schülern als eine Familie versammelt sah, in Gedanken mit den gleichen Themen beschäftigt.
Mit der Zeit wird alles anders; moderne Bildungssysteme wenden heute andere Methoden an, die ich respektiere und bewundere. Aber ich befürworte immer noch “meine morgendlichen Ansprachen".
Ich möchte Euch heute eine Anekdote erzählen, die ich als Schulleiter erlebt habe, da ich glaube, dass ich nicht mehr so viele Gelegenheiten dazu haben werde: ein Junge aus der Vten Sekundaria wurde zu meinem Büro geschickt, da er etwas angestellt hatte. Als er das Büro verlassen hatte, traf er einen Schulfreund und ich hörte ihn folgenden Satz sagen: "Der Löwe war gar nicht so wild wie man ihn beschreibt..."
Was für eine wertvolle und unvergessliche Lektion für mich. Viele vergessen oft, dass man „mehr Fliegen mit einem Tropfen Honig fängt als mit einem Fass Essig".
Ich gestehe, dass ich trotz meines theatralisch erscheinenden Autoritarismus mehr unter den disziplinären Maßnahmen litt als der betroffene Schüler, schuldig oder unschuldig. Erinnert Ihr Euch an die Arreste, die samstags stattfanden?
Ich möchte die Gelegenheit nutzen und alle Schüler um Entschuldigung bitten, denen ich in meinen 25 Jahren als Schulleiter durch Sanktionen oder übertriebene Maßnahmen, Unrecht getan habe.
Entschuldigt bitte!
Zum Schluss - ich wollte mich diesmal kurz fassen – erinnere ich mich an einen wichtigen Abschnitt meines Lebens, an den Abschiedsbrief, den ich nach 25-jähriger pädagogischer Arbeit, an meine Kollegen Ende 1982, geschrieben hatte:
Die Überschrift dieses Schreibens war der erste Vers von Simon, als er das Jesuskind in seinen Händen hielt: "NUNC DIMITIS SERVUUM TUUM DOMINE" ("Nun Herr, kann ich in Frieden gehen, denn meine Augen haben den Heiland gesehen, so wie Du es versprochen hast“).
Für mich war der Heiland das Ziel meines Lebens: die Kinder und Jugendlichen, die ich half zu erziehen. Euch, liebe ehemalige Schüler, bringe ich aus der Tiefe meines Herzens, vor den Herrn, mit diesem kurzen und ewigen Gebet:
HERR, BESCHÜTZE SIE, IHRE KINDER UND ALLE IHRE ANGEHÖRIGEN FÜR IMMER!
Danke.
Alberto Málaga
14. Oktober 2000