Was machen unsere ehemaligen Schüler?
Interview mit Corella Casas Delucchi
Corella Casas Delucchi ist eine ehemalige Schülerin der Humboldt-Schule (Abitur 2000), die am Beginn einer erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere auf dem Gebiet der Molekularen- und Zellbiologie steht. Corella erzählt uns über ihre Erfahrungen.
1. Du hast die Schule im Jahre 2000 beendet; jetzt bist du 30 Jahre alt. Erzähl uns, was du in der Zwischenzeit getan hast.
Nach meinem Abitur im Jahre 2000 zog ich nach München, um Biologie zu studieren. Ich verbrachte fünf Jahre an der LMU (Ludwig-Maximilians-Universität), wo ich mein Diplom in Biologie erwarb. Von Anfang an war ich mir sicher, dass mich die Forschung interessiert. Dafür ist eine Doktorarbeit unerlässlich. Für meine Diplomarbeit wählte ich ein gutesLabor, wo ich viel über die Grundlagen deswissenschaftlichen Arbeitens lernte. Der nächste Schritt war einen Stellefür die Doktorarbeit zu finden. Obwohl es nicht eine Regel ist, ist es ratsam nach jeder Etappe das Labor zu wechseln, so entschied ich mich nach Berlin zu ziehen und eine Stelle im Max-Delbrück-Zentrumfür Molekularmedizin anzunehmen. Nach eineinhalb Jahren zog das Labor – und ich mit ihm – nach Darmstadt, südlich von Frankfurt. In Darmstadt beendete ich meine Doktorarbeit und „verteidigte“ sie im letzten Jahr. Seitdem arbeite ich als Forscherin „post-doc” im selben Labor, versuche einige Projekte zu beenden und bereite den nächsten Schritt meines Berufslebens vor.
2. Warum wolltest du Biologie studieren?
Schon während der Schulzeit war ich sehr an Genetik interessiert und wusste von Anfang an, dass ich in diesem Bereich arbeiten wollte.
Im Jahre 2000 fiel das Interesse der Menschheit auf die Genetik mit dem ersten geklonten Schaf Dolly und der Vorstellung des ersten Entwurfs des „Human-Genome-Projektes“. Während meiner Studienjahre habe ich verschiedene Bereiche der Biologie kennengelernt, mehrere davon sind wirklichfaszinierend. Einige sind so neu, dass diese noch nicht in den Schulbüchern erscheinen, unter anderem die Epigenetik. Dieses biologische Gebiet befasst sich mit Modifikationen der DNA und der Proteine,um die DNA gewickelt ist,und damit wie durch diese Modifikationendas Genom gesteuert wird. Mit anderen Worten: das Genom oder alle Gene des Organismus umfassen alle Anweisungen die notwendig sind, um jede Zelle des Körpers zu bilden: Gehirn-, Muskeln- und Hautzellen, usw. Epigenetische Veränderungen bestimmen, welche Gene in bestimmten Zellen aktiviert werden und definierensomit die Identität der Zelle. Die epigenetischen Mechanismen sind auch dafür verantwortlich, die Identität der Zelleüber die Zellteilung hinaus aufrechtzuerhalten. Entsprechend ist die Epigenetik auch darin involviert, die Identität der Zellezurückzusetzenund spielt somit eine wichtige Rolle in der Zellreprogrammierung. Mithilfe dieses Prozesseskann man aus erwachsenen KörperzellenStammzellen gewinnen.Das ist eine der vielversprechendsten Techniken für die Weiterentwicklung der Medizin.
3. Kehrst du nach Peru zurück oder setzt du den Weg in Europa fort?
Obwohl ich die nächsten Jahre in Europa bleiben werde, schließe ich die Möglichkeit nicht aus, nach Peru zurückzukehren. Die Entscheidung hängt natürlich von vielen Faktoren ab, unter anderem wie sich die Forschung sowohl in Peru als auch in Europa entwickelt. Ich verfolge mit großem Interesse die Initiativen, wie zum Beispiel die von Herrn Dr. Modesto Montoya, die diewissenschaftliche Kultur in Peru fördern.
4. Was gefällt dir am meisten an deinem Beruf?
Die Freiheit, eine Idee zu verfolgen und somit ein ganzes Projekt mit dieser Idee zu verwirklichen. Was mir auch noch sehr gefällt, ist, dass die Forschungsarbeit vielseitig ist, sei es mit lebenden Zellen zu arbeiten oder mit DNA und Proteinen,seies technische Aufgaben zu erledigen wie die Arbeit mit modernen Mikroskopen oder Softwares, sogar kreative Arbeiten wie Graphik Design sind enthalten, um Plakate, Präsentationen oder Publikationen zu erstellen. Verwaltungsarbeiten und pädagogische Aufgaben müssen wir auch erledigen.
Darüber hinaus ist die wissenschaftliche Arbeit Teil der Welt-Gemeinschaft, was ein kultureller Austausch ermöglicht und erfordert. Entgegen dem Klischee, dass Wissenschaftler in einem Labor eingesperrt leben, hat mein Beruf es mir erlaubt, um die Welt zu reisen, sei es um Kooperationsarbeiten zu erstellen, neue Techniken zu erlernen oder Forschungsergebnisse auf internationale Konferenzen zu präsentieren.
5. Was war bisher das Schwierigste in deiner Karriere?
Der Erfolg eines Wissenschaftlers beruht leider nicht nur auf der Qualität des Forschers: es ist auch wichtig, Politik führen zu können, eine Berufung, die mir nicht so liegt, aber die wichtig ist. Ich habe diesen Aspekt bis heute vermieden, aber je mehr man weiterkommen möchte, desto wichtiger wird diese nicht-wissenschaftliche Seite.
6. Du hast im letzten Jahr deine alte Schule besucht. Wie war das?
Meiner Meinung nach ist eine der größten Herausforderungen eines Wissenschaftlers wissenschaftlichen Nachwuchs zu gewinnen. Unsere Arbeit beinhaltet viel Interaktion mit Studenten und manchmal auch mit Schülern, die wir zum Beispiel in die Laborarbeiten einführen.
Eine sehr bereichernde Erfahrung war für mich, obwohl es sich nicht zu 100% auf die Wissenschaft bezieht, der Besuch in einer 6. Klasse in der Humboldtschule. Ich erzählte den Schülern über meine Erfahrung, ein Studium und ein Leben in Deutschland zu beginnen. Die Interaktion mit den Kindern, ihr Interesse und Fragen waren wirklich für mich sehr bereichernd.
7. Welches Ziel hast, wie siehst du dich in der Zukunft?
Ich möchte weiterhin in der Grundlagenforschung arbeiten. Der nächste Schritt ist immer selbstständiger arbeiten zu können. Die größte Herausforderung für die meisten Wissenschaftlerinnen ist es, meiner Meinung nach, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben herzustellen, denn ein Forscher, hauptsächlich einer, der mit Tieren oder lebenden Zellen arbeitet, hat keine festen Bürozeiten. Es gibt Zeiten, wo man von montags bis freitags im Labor über 12 Stunden arbeiten muss.
8. Was rätst du den ehemaligen Schülerinnenund Schülern und denen, die im nächsten Jahr anfangen werden zu studieren?
So schnell wie möglich Kontakt mit den entsprechenden Fachleuten herstellen. Mit Personen sprechen, die über ihre Arbeitserfahrungen erzählen können, die die beruflichen und akademischen Herausforderungen erklären können. Darüberhinaus natürlich ein Praktikum zu machen, um die Theorie in etwas Reales umzusetzen. Und reisen, immer reisen.
9. Möchtest du noch etwas hinzufügen?
Ich würde gerne, diese Möglichkeit nutzen,um meine Dankbarkeit an die Humboldtschule auszusprechen. Ich bin stolz eine Humboldtschülerin zu sein. Die Grundkenntnisse, die dieSchule mir erteilt hat, und die vier Sprachen, die die Schule uns anbietet, haben mir viele Türen geöffnet und sind bis heute noch sehr hilfreich, sogar zehn Jahre danach. Ich glaube, dass die wichtigste Aufgabe einer Schule darinliegt, dass die Schüler die Herausforderungen der Studienjahre und der Arbeitswelt mit Erfolg meistern können. Und wenn ich an ehemalige Humboldt-Schüler denke, denke ich an erfolgreiche Profis in den verschiedensten Bereichen und sehe vor allem Bürger der Welt.
Corella, vielen Dank für Deine Zeit und Deinen Aussagen. Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg für Dein persönliches und berufliches Leben.
Maike Hein