Ein Praktikum in Zeiten einer weltweiten Pandemie
Erfahrungsbericht eines Praktikanten am Berufsbildungszentrum (BBS) der Deutschen Schule „Alexander von Humboldt“ in Lima
Kleiner Spoiler vorweg – mein Praktikum am BBZ des Colegio Humboldt in Lima endete vorzeitig in einem von der deutschen Regierung gecharterten Lufthansa-Flugzeug am militärischen Flughafen von Lima, welcher ausschließlich mit einer Polizei-Eskorte erreicht werden konnte.
Das Praktikum allerdings auf dieses dramatische Ende zu beschränken, würde weder dem Praktikum noch der gewonnenen Lebenserfahrung gerecht werden.
Zu meiner Person
Ich, Josse Gerick, 25-jähriger Lehramtsstudent, mit den Fächern Wirtschaftswissenschaften, Sport und Bildungswissenschaften für das Lehramt an Berufskollegs in NRW, war auf der Suche nach einer Auslandserfahrung.
Vorbereitung
Für mich stand früh fest, dass ich ein komplettes Semester im Ausland verbringen und Erfahrungen außerhalb des klassischen Urlaubes sammeln wollte. Durch Freunde erfuhr ich von deutschen Schulen im Ausland und informierte mich darüber hinaus auf der
„didacta 2019“ über unterschiedliche Schulen. Von den 140 Auslandsschulen bieten allerdings nur wenige einen Zugang zur beruflichen Bildung.
Durch meine persönlichen Prioritäten entschied ich mich für eine Bewerbung an das BBZ der deutschen Schule in Lima. Die ideale Kombination war für mich: Lima als Metropole an der Pazifikküste, das BBZ als funktionierendes Beispiel beruflicher Bildung im Ausland und Peru als atemberaubendes Urlaubsland. Der Zeitpunkt für mein Auslandsaufenthalt sollte ein Urlaubssemester nach Abgabe der Bachelor-Arbeit und vor Eintritt in den Master sein.
Nach der Zusage durch den Leiter der BBS, Herrn Buddecke, ca. ein Jahr vor Praktikumsantritt, konnte die konkrete Planung aufgenommen werden.
Die Strukturen der Alexander von Humboldt Schule in Lima sind sehr professionell, somit ist die Betreuung der Praktikanten dementsprechend umfangreich. Herr Buddecke ermöglichte mir frühzeitig den Kontakt zu den jeweiligen zuständigen Personen. So stand bei Fragen zum Visum oder möglichen Unterkünften Frau Ballhaus jederzeit zur Verfügung. Etliche Fragen konnten außerdem im Vorfeld durch den Austausch mit ehemaligen Praktikanten beantwortet werden.
Wohnen
Die Schule hat viele Kontakte für mögliche Unterkünfte. Durch ehemalige Praktikanten und Eigenrecherche haben sich die Viertel Barranco und Miraflores in den Mittelpunkt meiner Wohnungssuche verlagert. Küstenlage (der nächste Surf-Spot am Strand war nur 5 Minuten zu Fuß), Nähe zur Schule (15 Minuten mit dem Bus), Schönheit, Kosten und Sicherheit spielten in meiner Entscheidung für ein WG-Zimmer im schönen Stadtteil Barranco die übergeordnete Rolle.
Ankunft
Nachdem alle Impfungen abgeschlossen waren und ich mein Visum beim peruanischen Konsulat in Offenbach abgeholt hatte, konnte mein Auslandsabenteuer beginnen. Mein Plan: ein 5-monatiges Praktikum am BBZ der Deutschen Schule in Lima, anschließend für 2 Monate Peru und einige weitere Länder in Südamerika bereisen.
Der offizielle Schulstart sollte der 22.02.2020 sein, doch ich kam bereits Anfang Februar an. Jetlag, Orientierung und kleine touristische Aktionen in Lima standen in der ersten Woche auf dem Programm. Durch meine vorzeitige Anreise konnte ich außerdem sogar frühzeitig ins Praktikum starten und die Schule noch vor dem offiziellen Start kennenlernen. Ich konnte zudem die Zeit vor dem Start nutzen, um mich mit den SMART-Boards und den verschiedenen Lerninhalten in den Lernfeldern vertraut zu machen.
Praktikumsmöglichkeiten
Die Alexander von Humboldt Schule in Lima und das BBZ bieten hervorragende infrastrukturelle Möglichkeiten, sich als Praktikant in der Unterrichtsvorbereitung und -planung zu verwirklichen.
Das Eingangsgespräch mit Herrn Buddecke zeigte, dass ein Praktikum am BBZ nicht auf Unterrichtshospitation beschränkt ist.
In Absprache mit dem Fachleiter bekam ich die Möglichkeit, unterschiedliche Lernfelder selbstständig und eigenverantwortlich zu übernehmen. Didaktische Jahresplanung, Unterrichtsvorbereitung, Methodenauswahl, Notenvergabe und Erwartungshorizont waren also nicht mehr nur theoretische Begriffe aus der Universität, sondern sollten Inhalt meines Praktikums werden. Ich erhielt, unterstützt von Herrn Buddecke, die Möglichkeit, mich und meine Professionalisierung als angehende Lehrkraft entscheidend innerhalb dieser 5 Monate voranzutreiben.
Arbeitsalltag
10 Unterrichtsstunden innerhalb der Woche übernahm ich in enger Absprache mit dem Fachlehrer Herrn Buddecke eigenverantwortlich. Jeder Unterrichtsentwurf wurde im Vorfeld mit ihm besprochen und analysiert. Im Anschluss an die Unterrichtsstunden wurden diese kleinschrittig und auf Grundlage eines Bewertungskatalogs beurteilt und selbstkritisch reflektiert. Unterrichtsvor- und Nachbereitung, eine Einschätzung der Leistung und das Erstellen von Tests komplettieren die Aufgaben im Bezug auf die 10 Unterrichtsstunden.
Zusätzlich bemühte ich mich um weitere Einblicke in Unterricht anderer Fachleiter, um andere Methoden und Lehrertypen kennenzulernen. Methodentage und Konferenzen gaben weitere Einblicke in den Schulalltag. Das kompetente und nette Kollegium erleichterte mir die Aufgaben und stand jederzeit für Fragen und Problembehebungen zur Verfügung. Lernwillige und begeisterungsfähige Schülerinnen und Schüler erweiterten das Umfeld, in dem Praktikanten sich wohlfühlen können.
Freizeit
offen für privaten Austausch und gemeinsame Aktionen.Das nette Kollegium nahm mich auch direkt nach Ankunft in seine Fußballgruppe auf. Durch wöchentliche Spiele mit vereinzelten Kollegen und weiteren Bekannten wurden aus Kollegen schnell Freunde. Auch außerhalb des Sports waren die Kollegen stets
Zudem bietet Lima eine Vielzahl an Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung. Durch Sprach-Cafés, welche den internationalen Austausch fördern, lernte ich viele Peruaner und internationale Freunde außerhalb der Schule kennen. Surfen in Barranco, Spaziergänge oder gemütliche Abende an der Küste von Miraflores zählten zu meinen liebsten Freizeitbeschäftigungen.
COVID-19
Und dann kam das Virus, welches die Welt 2020 veränderte.
In Peru wurde die Pandemie zu keinem Zeitpunkt unterschätzt. So mussten frühzeitig die Schulen schließen und der Unterricht wurde quasi über Nacht auf Online-Unterricht umgestellt. Die Ausstattung der Schülerinnen und Schüler durch schuleigene IPAD´s ließ dies zu. Mein eigenverantwortlicher Unterricht konnte durch digitale Pinnwände aus meinem WG-Zimmer verwaltet werden. Absprachen im Kollegium und mit Schülerinnen und Schülern wurden in regelmäßigen Zoom- und Teams-Meetings getroffen. Der Arbeitsaufwand für die Kollegen vervielfältigte sich durch die ständigen Korrekturen der gestellten Aufgaben enorm. Meine Erfahrungen konnten durch Online-Unterricht und das Erstellen von digitalen Lernstandskontrollen erweitert werden.
Nach weiteren Maßnahmen im Rahmen der Pandemie sprach die Deutsche Botschaft die Empfehlung aus, Peru durch die Rückhol-Aktion der Bundesregierung zu verlassen und zurück nach Deutschland zu reisen.
Fazit
Das Praktikum hat mich in meiner Berufswahl gestärkt und ich konnte Berufs-, wie auch Lebenserfahrung sammeln.
Ich empfehle jeder angehenden Lehrkraft eine solche Auslandserfahrung. Gerne wäre ich länger geblieben, jedoch ist meine ursprünglich geplante Reise durch Peru und Südamerika lediglich aufgeschoben und definitiv nicht aufgehoben worden.
Danksagung
Ein herzliches Dankeschön gilt den Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Alexander von Humboldt Schule und vor allem Herrn Buddecke für die intensive Betreuung und Unterstützung.
Beste Grüße
Josse Gerick